Kohlenstoffspeicherung durch regenerative Anbaumethoden im Getreidesektor
- Written by: Karl-Ludwig Wieland
- Category: anbaumethoden, durch, getreidesektor, kohlenstoffspeicherung, regenerative
- Published: December 1, 2025
Regenerative Anbaumethoden im Getreidesektor gewinnen als Werkzeug zur kohlenstoffspeicherung an Bedeutung. Praktiken wie reduzierte Bodenbearbeitung, Zwischenfrüchte und organische Düngung fördern Humusaufbau, binden CO2 und erhöhen Resilienz. Der Beitrag skizziert Potenziale, Grenzen, Messansätze und wirtschaftliche Rahmenbedingungen.
Inhalte
- Boden-C-Senken im Getreidebau
- Humusaufbau durch Wurzeln
- Zwischenfrüchte und Mulch
- Reduzierte Bodenbearbeitung
- Konkrete Maßnahmen im Betrieb
Boden-C-Senken im Getreidebau
Im Getreidesystem können Ackerböden zu messbaren Netto-Senken atmosphärischen Kohlenstoffs werden, wenn der Anteil an stabilen Humusfraktionen und mineralassoziiertem organischem Kohlenstoff zunimmt. Entscheidend sind hohe unterirdische Biomasseflüsse, feine Wurzelreste, Wurzelexsudate als Mikrobensubstrat und die Stabilisierung von Bodenaggregaten. Regenerative Maßnahmen wie dauerhafte Bodenbedeckung, reduzierte Bodenstörung und vielfältige Fruchtfolgen fördern die Bindung von Kohlenstoff in tieferen Horizonten, wo Abbauraten niedriger sind. Standortfaktoren wie Textur, Kalkgehalt, Wasserhaushalt und Temperaturregime bestimmen das Senkenpotenzial und die erforderliche Intensität des Managements.
- Partikulärer Humus (POM): schneller Zuwachs durch Ernterückstände, mittlere Stabilität
- mineralassoziierter C (MAOM): feinkörnige Böden, hohe Langzeitstabilität
- mikrobielle Effizienz: Exsudate fördern mikrobielle Umwandlung in stabilere Formen
- Aggregatbildung: Schutz des organischen Materials vor Abbau und Erosion
- Wurzel-Tiefenverteilung: Verlagerung von C in Horizonte mit niedrigerer Mineralisation
| Maßnahme | C-Potenzial | Zusatznutzen |
|---|---|---|
| Zwischenfrüchte | mittel-hoch | Deckung, N-Fang |
| Reduzierte Bearbeitung | mittel | Strukturschutz |
| Diverse Fruchtfolge | mittel | Krankheitsdruck ↓ |
| Organische Amendments | hoch | Nährstoffpuffer |
Operativ beruht eine tragfähige Senkenstrategie im Getreidebau auf hoher C-Eingangsrate bei niedriger Abbaurate: ganzjährige Bodenbedeckung, Strohmanagement mit Feuchte- und N-Balance, gezielte Nährstoffversorgung zur minimierung von N₂O-Emissionen, sowie lenkende Bodenbearbeitung (z. B. Streifen- oder direktsaat) in Kombination mit Erosionsschutz und kontrollierten Fahrgassen. Reversibilitätsrisiken durch Dürre, Erosion oder Umbruch werden durch Wasserhaltevermögen, Windschutz, Tiefenwurzelung und Krisenprotokolle begrenzt; die Nachweisführung stützt sich auf wiederholte C-Vorratsbestimmung (inkl. Bulkdichte), tiefe Beprobung, Fernerkundung der Bodenbedeckung und konsistente Schlaghistorien.
- Stellhebel: erhöhte Wurzelbiomasse, Exsudatfluss, Mykorrhiza-Förderung
- Trade-offs: Entnahme von Stroh vs. C-Aufbau; gelegentliches Lockern vs. Bodenschutz
- Risikomanagement: Erosionsbarrieren, Mulch, flexible Saattermine, Dürre-Resilienz
- Monitoring: Baseline, feste Beprobungsdesigns, digitale dokumentation, QA/QC
- Dauerhaftigkeit: langfristige Praxisbindung, Pufferkonten, konservative Gutschriftung
Humusaufbau durch Wurzeln
Im Getreideanbau entsteht langlebiger humus vor allem unterirdisch: Wurzeln liefern Kohlenstoff über Exsudate, Wurzelreste und mikrobiell umgebaute Biomasse. Ein beträchtlicher Anteil der Photosyntheseprodukte gelangt in die Rhizosphäre, wo Mikroorganismen daraus Polymere und schließlich mikrobielle Nekromasse bilden, die an Ton-Humus-Komplexe bindet. feine Wurzeln fördern Aggregatstabilität und Porenbildung; tiefreichende Systeme verlagern Kohlenstoff in subsolige Horizonte mit längeren Verweilzeiten. Mykorrhiza vergrößert die funktionelle Wurzeloberfläche, verbessert die Nährstoffaufnahme und trägt mit stabilen, klebstoffartigen Substanzen zur Dauerhumusbildung bei. Entscheidend sind hohe Wurzel-Diversität, kontinuierliche Rhizodeposition und eine geringe Störung der Aggregatstruktur.
| Kultur | Wurzeltiefe (cm) | Feinwurzelmasse (t/ha) | Exsudat-Index | Stabilisierung |
|---|---|---|---|---|
| Winterweizen | 80-120 | 1,2-1,8 | Mittel | Mittel-hoch |
| Roggen | 100-140 | 1,4-2,0 | Hoch | Hoch |
| Gerste | 70-110 | 1,0-1,5 | Mittel | Mittel |
| Hafer | 80-120 | 1,3-1,9 | Hoch | Mittel-hoch |
| Triticale | 90-130 | 1,3-1,8 | Mittel | Hoch |
Regenerative Verfahren im Getreidesystem strecken die Wurzelaktivität zeitlich und vertiefen sie räumlich. Zwischenfrüchte und Untersaaten schließen Kohlenstofflücken zwischen Ernten, reduzierte Bodenbearbeitung schützt Mykorrhiza-Netzwerke, vielfältige Fruchtfolgen mit tiefwurzelnden Arten erhöhen den Eintrag in tiefere Schichten, und eine abgestimmte Nährstoff- sowie Wasserführung begünstigt ein höheres Verhältnis von Wurzel- zu Sprosswachstum. Fortschritt wird anhand robuster Indikatoren sichtbar: steigende Aggregatstabilität, höherer heißwasserextrahierbarer Kohlenstoff (HWC), zunehmende Durchwurzelungstiefe sowie eine verbesserte Infiltration bei gleichzeitiger Reduktion der Bodenverdichtung.
- Kontinuierliche Bodenbedeckung: 220-300 Tage/jahr mit lebenden Wurzeln.
- Untersaaten im getreide: Klee/Gräser verlängern das Exsudationsfenster.
- Reduzierte Bodenbearbeitung: Aggregate und Pilzgeflechte bleiben intakt.
- Diversifizierte Zwischenfrüchte: Tief- und Feinwurzler ergänzen sich funktional.
- Adaptives N-Management: Moderates N fördert Wurzelbildung und C-Eintrag.
- Fahrgassenmanagement: Weniger Verdichtung ermöglicht tiefere Durchwurzelung.
Zwischenfrüchte und Mulch
artenreiche Bestände aus Zwischenfrüchten fungieren als biogene Pumpen für stabilen Bodenkohlenstoff: Über Wurzelexsudate und Rhizodeposition entsteht organische Substanz,die als mineralassoziierter organischer Kohlenstoff (MAOM) und partikuläre organische Substanz (POM) eingebaut wird. Eine durchgehend lebende Wurzeldecke steigert Aggregatstabilität, verbessert Wasserinfiltration und reduziert Erosion in Getreidefruchtfolgen. Die Kombination kontrastierender Wuchsformen (Fein- und Tiefwurzler) vergrößert das unterirdische Interface zwischen Pflanzen und Mikrobiom und erhöht damit die Kohlenstoff-Einlagerung bei gleichzeitig effizienter Nährstoffnutzung.
- Tiefwurzler (z. B.Ölrettich): Nährstoffrecycling aus dem Unterboden, Porenbildung
- Leguminosen (z. B. Klee, Wicke): biologische N-Fixierung, niedrigeres C/N für schnellere Etablierung der Folgefrucht
- Gräser (z. B. Roggen): hohe Biomasse, höheres C/N, langlebige Deckung
- Blühpflanzen (z. B. Phacelia): schnelle Bodenbedeckung, Förderung von Nützlingen
- Artenmischungen: komplementäre Wurzelarchitekturen, robuste C-Sequestrierung
| Zwischenfrucht | Biomasse (t TM/ha) | C/N | Zusatznutzen |
|---|---|---|---|
| kleegras-Mix | 3-6 | 12-20 | N-Fixierung, Struktur |
| Phacelia | 2-4 | 25-35 | Schnelle Bedeckung |
| Ölrettich | 3-5 | 20-30 | Tiefwurzel, Nematoden |
| Roggen (Winter) | 4-7 | 35-60 | Stabile Mulchdecke |
Eine schützende Mulchschicht aus gehäckselter Zwischenfrucht oder Getreidestroh puffert Temperaturspitzen, senkt Verdunstung und bremst die Mineralisierung, wodurch Kohlenstoff länger im System gehalten wird. In pfluglosen Verfahren unterstützt Mulch die Anreicherung von POM an der Oberfläche, während mikrobiell umgesetzte Feinfraktionen in MAOM übergehen. Die Steuerung der C-Dynamik erfolgt über Materialwahl, C/N-Verhältnis, Schichtdicke und Terminierung der Bestände; so lassen sich Keimbedingungen, Nährstofffreisetzung und Unkrautunterdrückung gezielt ausbalancieren.
- Schichtdicke 3-7 cm: bessere Feuchtehaltung, geringere Erosion
- C/N-Management: >30 = langsamere Zersetzung, stärkere C-Bindung; <20 = schnelle N-Freisetzung
- Walzen/Crimpen blühender Bestände: geschlossener Teppich ohne Bodenbearbeitung
- Streifenablage (Strip-Till/Schmalsaat): warme Saatreihen, Mulch im Zwischenraum
- N-Anpassung nach grasreicher Mulchgabe: temporäre N-Immobilisierung berücksichtigen
Reduzierte Bodenbearbeitung
Die konservierende Bearbeitung im Getreideanbau vermindert die Störung der Bodenstruktur, schützt Aggregate und verlangsamt die Mineralisierung von organischer Substanz. Erntestoppel und Mulchschichten liefern kontinuierlich kohlenstoffeinträge, fördern Mikrobiom-Diversität und stabilisieren Mikroaggregate, wodurch mehr partikulärer Humus im Oberboden gebunden wird. Gleichzeitig sinkt der Bedarf an Überfahrten und Diesel, was die betriebliche CO2e-Bilanz verbessert. Typisch sind geringere Erosionsraten durch permanente Bodenbedeckung, höhere Wasserinfiltration sowie ein ausgeprägter SOC-Gradient im Bereich 0-10 cm; Nettoeffekte auf die Vorräte hängen von Bodentextur, Feuchte und Fruchtfolge ab.
- Kohlenstoffpfad: mehr Wurzel- und Streueinträge, langsamere Zersetzung, stärkere physikalische Protektion in Aggregaten
- Co-Benefits: geringere Bodenabträge, höhere Wasserhaltefähigkeit, reduzierte Bodenverdichtung durch weniger Befahrungen
- Getreide-spezifisch: Strohmanagement (gleichmäßige Verteilung), präzise Saat in Rückständen, angepasstes N-Placement
- Emissionen: weniger Diesel, potenziell veränderte N2O-Dynamik bei nassen Standorten
In der Praxis bewährt sich ein stufenweiser Übergang von Flachbearbeitung zu Direktsaat, oft kombiniert mit Zwischenfrüchten und konsequentem Rückstandsmanagement. entscheidend sind standortspezifische Anpassungen: flache Saatbettbereitung (z. B. 5-8 cm), Schlitz- oder Streifensaat in Stoppeln, breit gestreute Spreu und gleichmäßige Strohverteilung, integriertes Beikraut- und Schneckenmanagement sowie sorgfältige Stickstoff- und Schwefeleinbringung in kühleren mulchböden. Übergangsphasen können ertragsschwankungen bringen, während sich langfristig stabilere Bodengerüste und ein robusterer Wasserhaushalt etablieren; eine begleitende Erfassung von SOC, Erträgen und Dieselverbrauch unterstützt die Feinsteuerung.
| Verfahren | Eingriff | Diesel | SOC-Trend | Hinweis |
|---|---|---|---|---|
| Flachgrubber | 5-8 cm | niedrig | ↑ im Oberboden | gute Stroh-Einarbeitung |
| Mulchsaat | Saatbett,minimal | sehr niedrig | ↑↑ oberflächennah | Erosion stark reduziert |
| direktsaat | keine Bodenwende | minimal | ↑ standortabhängig | Nährstoffbandablage sinnvoll |
Konkrete Maßnahmen im Betrieb
Im Getreideanbau lassen sich Kohlenstoffflüsse durch ein Bündel praxisnaher Eingriffe stabilisieren und erhöhen. Kernelemente sind eine ganzjährige Bodenbedeckung,reduzierte Bodenbearbeitung,vielfältige Fruchtfolgen sowie präzise Nährstoffführung. Ergänzend wirken organische Kohlenstoffquellen, strukturgebende Landschaftselemente und ein konsequentes Fahrspuren-Management, um Verdichtungen zu vermeiden und Wurzelräume zu aktivieren.
- Zwischenfruchtmischungen mit Leguminosen und Tiefwurzlern zur dauerhaften Durchwurzelung und N-Fixierung
- Direktsaat/Mulchsaat oder Streifenbearbeitung (Strip-Till) zur minimierung der Bodenstörung
- Ernterückstände als mulch belassen; gezieltes Strohmanagement statt Abfuhr
- Organische Amendments (kompost, Gärreste, Stallmist) und Biokohle vorzugsweise ko-kompostiert einbringen
- Präzisionsdüngung mit N-Sensorik, Bodentests (Nmin, pH, C/N) und variabler Ausbringung
- Kontrolliertes Befahren (CTF) und Reifendruckregelung zur Reduktion von Verdichtung
- Agroforst- und Heckenstreifen quer zur Hauptwindrichtung als Kohlenstoffsenken und Erosionsschutz
- integration von Beweidung auf winterharten Zwischenfrüchten zur Nährstoff-kreislaufführung
- wasserretention (Grasstreifen, Mulch in Hanglagen, Mikrosenken) zur Erhöhung der Infiltration
Umsetzungsschritte beginnen mit einer standortspezifischen Bodendiagnostik (SOC nach Tiefe, Bulk-Dichte, Infiltration) und der Ableitung von Anbauzonen.Betriebswirtschaftlich sinnvoll sind schrittweise Umstellungen auf Pilotflächen, begleitet von Ertrags- und Kostentracking im FMIS sowie jährlichen Monitoring-Punkten für Bodenkohlenstoff.Spannbreiten für Bindungspotenziale sind standort- und managementabhängig; die folgende Übersicht priorisiert Maßnahmen nach Startaufwand, potenzial und Zusatznutzen.
| Maßnahme | Startaufwand | Potenzial (t CO₂e/ha·a) | co-Benefits |
|---|---|---|---|
| Zwischenfrüchte | Gering-mittel | 0,5-1,5 | Erosionsschutz, N-Bindung |
| direkt-/Mulchsaat | Mittel | 0,3-1,0 | Wasserspeicher, Diesel↓ |
| Kompost/Biokohle | Mittel | 0,4-1,2 | Nährstoffpuffer, Struktur |
| Agroforst-Streifen | Hoch | 1,0-3,0 | Biodiversität, Windschutz |
| Präzisionsdüngung | Gering | 0,2-0,6 | N₂O↓, Kostenkontrolle |
Was bedeutet Kohlenstoffspeicherung im Boden und warum ist sie im Getreidesektor relevant?
Unter Bodenkohlenstoffspeicherung wird die Einbindung von atmosphärischem CO2 in organische Bodensubstanz verstanden. im getreidesektor sind große Flächen betroffen, sodass kleine Verbesserungen durch Praxisänderungen erhebliche Klimawirkungen entfalten können.
Welche regenerativen Anbaumethoden fördern die Kohlenstoffspeicherung in getreidesystemen?
Zentrale Hebel sind reduzierte oder pfluglose Bodenbearbeitung, Zwischenfrüchte und vielfältige Fruchtfolgen. Ergänzend wirken organische Düngung und Komposte, Agroforstsysteme sowie permanente bodenbedeckung durch Mulch.
Wie wird die Speicherung quantifiziert und verifiziert?
Üblich sind wiederholte Bodenproben und Laboranalysen des organischen Kohlenstoffs,ergänzt um Bodendichte zur Vorratsberechnung. Modelle, digitale Bodenkarten und Fernerkundung unterstützen MRV-Prozesse, erfordern jedoch belastbare Baselines.
Welche Zusatznutzen entstehen neben der Klimawirkung?
Regenerative Praktiken erhöhen Bodenfruchtbarkeit und Wasserhaltevermögen, mindern Erosion und verbessern die Infiltration. Mehr Biodiversität und stabile Nährstoffkreisläufe fördern Resilienz und können Erträge und Qualität langfristig stabilisieren.
Welche Grenzen und Risiken sind zu beachten?
Böden sättigen sich, und gespeicherter Kohlenstoff kann durch Umbruch, Dürre oder Feuer wieder freigesetzt werden. Unsicherheiten bei Messung, Leakage und N2O-Emissionen sowie anfängliche Ertragsrisiken erfordern vorsichtige Umsetzung und Monitoring.






